"Gönne dir einen italienischen Moment"

Tanja Reißenweber ist Ordnungscoach und zertifizierte Resilienzberaterin. Aufgewachsen im idyllischen Itzgrund bei Coburg lebt sie heute in der Nähe von München und hat mit ihrer nebenberuflichen Selbstständigkeit ihre Berufung gefunden: anderen Menschen zu mehr innerer und äußerer Ordnung zu verhelfen. Dafür ist sie dankbar – und jeden Tag für zehn andere Gründe.

Tanja, mentale Widerstandsfähigkeit, also Resilienz, ist das für dich der Schlüssel für ein glückliches Leben?

Für mich auf jeden Fall. Ich bin sicher, wer die Fähigkeit zur Resilienz besitzt, kann besser mit Herausforderungen und Niederlagen umgehen. Resilient sein bedeutet, gut mit stressigen Situationen umgehen zu können und das Leben in all seinen Facetten zu genießen.

Kann das eigentlich jede und jeder erlernen?

Ich denke schon, das ist zumindest mein großes Ziel als Resilienzberaterin (lacht). Die Wahrheit ist aber auch, dass es manchen Menschen leichter fällt als anderen, optimistisch zu denken und Kraft für außergewöhnliche Lebenssituationen zu entwickeln, das ist auch genetisch bedingt. Aber durch bestimmte Übungen, neue Verhaltensweisen sowie positive Glaubenssätze kann ganz viel erreicht werden, um dauerhaft sorgloser und zufriedener durchs Leben zu gehen.

Kannst du spontan eine Übung nennen?

Es gibt zahlreiche Tipps, wie man Resilienz stärken kann. Wenn ich mich spontan für einen entscheiden soll, dann ist das eine Übung, die ich selbst jeden Abend vorm Einschlafen praktiziere: Es ist die Zehn-Finger-Dankbarkeits– Übung, für jeden Finger zähle ich eine schöne Sache auf, die mir an diesem Tag widerfahren ist, das kann das Lächeln der Kollegin am Morgen sein oder die Tatsache, dass mir ein netter Mensch im Kaufhaus die Tür aufgehalten hat. Die Übung bewirkt, für die kleinen Glücksmomente achtsamer zu werden – und dankbarer.

Zehn Finger, zehn Gründe zum Dankbarsein: Mit dieser Übung kann man – stetig angewendet – dankbarer und glücklicher werden. 

Bist du auf die Idee gekommen, dich zur Resilienzberaterin ausbilden zu lassen, weil du selbst die Fähigkeit zu großer Resilienz besitzt?

Vielleicht habe ich schon immer gespürt, mit meiner optimistischen Lebenseinstellung etwas bewirken zu können, aber auschlaggebend war die Tatsache, dass ich in meiner Tätigkeit als Ordnungscoach gemerkt habe, dass die Menschen, die mich buchen, nicht nur Probleme mit der äußeren Ordnung haben, sondern auch mit der inneren. Sehr häufig versteckt sich auch ein anderes Thema dahinter, wenn es mit der Ordnung im Außen hapert oder das Loslassen von materiellen Dingen schwer fällt. Zum Beispiel konnte sich eine Klientin nicht von einer Kaffeekanne der verstobenen Oma trennen, weil sie das ängstliche Gefühl überkam, dann nicht mehr zu gehorchen, nicht mehr lieb zu sein, so, wie das die Oma einst erwartete. In solche Themen spielen oft viele negative Glaubenssätze mit hinein. Ich hatte zahlreiche solcher Erlebnisse mit meinen Klienten, bei denen ich dadurch merkte, es reicht nicht aus, einfach nur beim Aufräumen zu helfen. Deswegen habe ich noch die Ausbildung zur zertifizierten Resilienzberaterin on top gesetzt – und das war für mich die beste Entscheidung überhaupt.

Du hältst aktuell unter anderem bei der VHS in Erding Vorträge und gibst Workshops unter dem Titel „Ordnung meets Resilienz“. Und du bietest Einzelcoachings an. Was überwiegt gerade, der Ordnungscoach oder die Resilienzberaterin?

Die Resilienzberaterin. Aktuell habe ich zu allgemeinen Lebensthemen mehr Anfragen, und es macht mir auch große Freude, hier mein Wissen und auch meine Intuition einbringen zu können. Was natürlich nicht heißen soll, dass ich nicht auch gerne noch beim Aufräumen helfe. Auch dieses Business des Ordnungscoachs mache ich erst seit Ende 2020, und ich mache es unwahrscheinlich gerne, denn Ordnung machen und halten ist mir offenbar in die Wiege gelegt worden. Ich habe schon immer gerne aufgeräumt, und es fällt mir auch überhaupt nicht schwer, Ordnung zu halten. Ich bin so konditioniert, ich brauche darüber nicht mehr nachzudenken, das ist wie Zähneputzen, völlig selbstverständlich.

Und wie bringst du unordentliche Menschen dazu, ordentlich(er) zu werden?

Alle Veränderungen brauchen viel Disziplin. Wer wirklich etwas in seinem Leben verändern möchte und mich als Ordnungscoach bucht, der hat ja eine Absicht. Wir fangen Schritt für Schritt an, entweder im Arbeitszimmer oder im Kleiderschrank. Bleiben wir beim Beispiel des Kleiderschranks, dann müssen da sämtliche Kleidungsstücke erstmal auf einen „Haufen“ geworfen werden. Und dann wird geschaut, was passt noch, und was wird wirklich noch getragen? Und da zählt nicht das Argument, das hat doch mal Geld gekostet oder man habe es geschenkt bekommen. Ich helfe beim Loslassen von Dingen  – man kann vieles spenden oder nochmal verkaufen – und ich versuche, für einen bewussteren Konsum zu sensibilisieren. Achtsamer im Alltag zu sein und somit auch ordentlicher zu werden, ist ein Prozess, der mit Willenskraft zur Routine wird, das funktioniert. Denn wenn erstmal eine Grundordnung da ist, dauert es gar nicht lange, bis diese täglich wieder hergestellt ist. Ich kann von zahlreichen Erfolgsgeschichten erzählen und habe erfahren, dass Menschen durch Ordnung zu Stabilität finden. Sie brauchen einfach Leitplanken, innerhalb dieser sie sich sicher bewegen können.

Tanjas Optimismus und ihre Fröhlichkeit sind ansteckend. In Workshops, Vorträgen und Einzelcoachings dürfen die Menschen eine große Portion Zuversicht mit nach Hause nehmen.  

Nochmal zurück zur Resilienz, die ja gerade einen größeren Part in deinem Business-Leben einnimmt. Mit welchen Themen treten die Menschen an dich heran?

Die meisten Menschen sind auf Sinnsuche in ihrem Leben. Sie stellen vieles in Frage, ihren Job, ihre Partnerschaft, das ganze Umfeld, da trägt natürlich die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation mit Kriegen in Teilen der Welt sowie Inflation direkt vor der Haustür mit dazu bei. Auch die Auswirkungen des digitalen Konsums auf Social Media-Plattformen sind so ein Thema, sie können zu Vereinsamung führen, weil die Menschen einfach weniger persönlich miteinander kommunizieren. Es gibt so vieles, was sich verändert und wobei man Unterstützung von einer außenstehenden Person gut gebrauchen kann. Zum Beispiel kann ich von zwei Rentnerinnen erzählen, die ich dabei begleiten durfte – unabhängig voneinander – über Werte nachzudenken und diese zu definieren. Sie wollten ihrem neuen Alltag ohne geregelte Arbeitszeiten wieder eine Struktur geben, es fehlte ihnen eine Aufgabe. Oftmals fallen wir in ein Loch, sei es, weil wir vermeintlich zu wenig Zeit haben für die Dinge, die uns Freude bereiten, oder aber auch, wie im Falle der Seniorinnen, dass wir plötzlich zu viel freie Zeit haben.

Und was würdest du da jetzt empfehlen?

Eine pauschale Antwort kann ich dir da leider nicht geben, das ist immer abhängig vom Einzelfall, dafür gibt es ja mich und mein Coaching, das man buchen kann (lacht augenzwinkernd). Aber ich versuche mich mal an einer kleinen Zusammenfassung. Es sind meiner Meinung nach die Schlüsselwörter Sinngebung, Achtsamkeit und Dankbarkeit, letzteres hatte ich ja schon eingangs erwähnt. Achtsamkeit, die wir etwa durch Meditation schulen können, schenkt uns das Bewusstsein für den Moment. Und empfundene Dankbarkeit zeigt uns auf, was wir schon erreicht haben, und dass es gut ist, wie es gerade ist, unser Tun also Sinn ergibt. Ich selbst versuche dieses bewusste Leben ganz oft in meinen Alltag einzubauen, etwa dann, wenn ich meinen italienischen Moment zelebriere (lächelt).

Deinen italienischen Moment?

Ja, genau den (strahlt jetzt), den sollte sich jeder gönnen. Wenn ich morgens zur Arbeit fahre – ich bin ja neben meiner Selbstständigkeit noch in einer Festanstellung tätig – versuche ich ganz oft noch auf dem Weg dorthin in einem Café einen Espresso an der Bar zu trinken. Das sind drei Minuten, die ich ganz bewusst nur für mich habe, ein kurzer Austausch mit dem Barista, ein Lächeln zurück, dann kann der Tag gut starten. Das mache ich auch, wenn ich in Italien im Urlaub bin, dann stehe ich gerne mal früher als mein Partner auf und gehe in ein Café, um auch dort nur kurz einen Espresso zu genießen. Die Italiener verstehen was vom Genießen, von diesen süßen Momenten des Lebens. Es ist diese eigene Wertschätzung, die wir uns da entgegenbringen.

Wertschätzung für sich selbst fällt vielen schwer…

Genau deswegen müssen wir ja was dafür tun. Wir selbst sind uns doch oft die größten Kritiker. Wenn uns mal was nicht gelingt, dann zweifeln wir schnell an uns selbst, statt uns wohlwollend zuzureden, so wie es eine gute Freundin machen würde. Wir sollten uns also selbst häufiger eine gute Freundin sein.

Bist du dir das denn selbst, eine gute Freundin?

Ich denke schon, ich möchte die Dinge ja auch vorleben können, von denen ich spreche. Ich reflektiere aber auch mein Leben und mein Verhalten, ich schaue schon genau hin. Seit 15 Jahren gehe ich dafür am Ende eines Jahres für vier Tage in Klausur mit mir selbst. Ich fahre im Umkreis von etwa 100 Kilometern in eine Ferienwohnung und denke über das zurückliegende Jahr nach, was war gut, was hätte ich besser machen können, welches sind meine Ziele für das nächste? Dabei beleuchte ich alle Bereiche meines Lebens: meine Festanstellung, Selbstständigkeit, Partnerschaft, Familie und Freunde. Ich schreibe in dieser Zeit ganz viel auf, habe für jedes Jahr ein eigenes Buch. Zu diesen Tagen gehören auch Yoga, Meditation und Sport. Ich erarbeite mir dabei einen roten Faden für das neue Jahr, der mich leitet und mir eine Richtung gibt. Weil mir das selbst seit vielen Jahren so gut tut, überlege ich gerade, ein solche Auszeit in ähnlicher Form künftig auch in mein Angebot mit aufzunehmen. 

Das klingt vielversprechend. Hast du dir denn auch vorgenommen, in deiner alten Heimat Coburg noch sichtbarer zu werden?

(lacht wieder herzerfrischend) Ja, unter anderem. Ich bin gerne hier in der Coburger Region, weil meine Eltern im beschaulichen Itzgrund leben, die ich öfters besuche. Sehr gerne möchte ich meinen Kundenstamm auch hier ausbauen, ich fühle mich hier sehr verwurzelt. Ein erstes Coaching in Präsenz kann ich hier gut planen und einrichten, und alle weiteren Treffen könnten eventuell auch online stattfinden.

Zum Abschluss erzähle doch bitte noch eine kleine Übung zur Resilienz, ich höre dir einfach gerne zu…

Das höre ich gerne, danke dir (lächelt). Weißt du, ein einfaches Ritual ist für mich selbst zur absoluten Routine geworden. Ich habe immer einen Glücksstein in meiner Hosentasche. Und wenn ich bewusst eine Situation erlebe, die mich in diesem Moment glücklich und dankbar stimmt, dann nehme ich den Stein aus der einen Hosentasche und stecke ihn in die andere. Durch diese kurze Handlung wird mir der schöne Moment viel bewusster – und ich kann der Welt ein Lächeln schenken.

Fotos: Anja Jost von Bildraum Studios

Weitere Infos zu Tanjas Arbeit findest du unter www.derordnungscoach.de

Hinweis: Tanjas Homepage befindet sich gerade im Umbau, um das Angebot Resilienzcoaching mit aufzunehmen.

schoen.frau-Steckbrief

Tanja Reißenweber

Geburtstag: 28.10.1971

Geburtsort: Coburg

Ausbildung: Kauffrau für Büromanagement, Ausbildung zum zertifizierten Ordnungscoach

Ausbildung zum zertifizierten Resilienzcoach in der Kitchen2Soul Akademie www.kitchen2soul.com, ergänzt wird das Ganze durch zehn Jahre Führungserfahrung, u.a. als Leiterin eines Beschwerdemanagements in der Finanzbranche

Was macht dich glücklich? Die kleinen Dinge im Leben 

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Tanja Reißenweber

Geburtstag: 28.10.1971

Geburtsort: Coburg

Ausbildung: Kauffrau für Büromanagement, Ausbildung zum zertifizierten Ordnungscoach

Ausbildung zum zertifizierten Resilienzcoach in der Kitchen2Soul Akademie www.kitchen2soul.com, ergänzt wird das Ganze durch zehn Jahre Führungserfahrung, u.a. als Leiterin eines Beschwerdemanagements in der Finanzbranche

Was macht dich glücklich? Die kleinen Dinge im Leben 🙃

Das Interview führte Christina, die sich gemeinsam mit Senta super gefreut hat, dass Tanja aus München schoen.frau auf Instagram entdeckt und ein Business-Interview gebucht hat, um auch in ihrer alten Heimat Coburg sichtbarer zu werden. Seit dem Treffen mit Tanja geht Christina die Begrifflichkeit des „italienischen Moments“ nicht mehr aus dem Sinn – wo immer es geht, versucht sie nun, diese „Me-Time-Momente“ bewusst in ihren Alltag einzubauen. Wie schön, dass wir dich getroffen haben, liebe Tanja!

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